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Diagnose

Vor jeder effektiven Behandlung steht eine sorgfältige Diagnose.

In den letzten 30 Jahren wurde die Klassifikation der Parodontalerkrankungen wiederholt verändert, um sie an neue Erkenntnisse anzupassen. In den vergangenen Jahren zeigten sich zunehmend Schwächen der Klassifikation von 1999, vor allem in Hinblick auf die Trennung zwischen der aggressiven und chronischen Form von Parodontitis. Pathobiologisch fehlen aber eindeutige Hinweise dafür, dass es sich um distinkte Krankeitsentitäten handelt und im Praxialltag und der Falldefinition im Rahmen von wissenschaftlichen Fragestellungen kam es immer wieder zu Problemen in einer klaren Trennung zwischen den beiden Gruppen und damit zu Überschneidung von Diagnosen.

Zudem wurde bemängelt, dass patientenspezifische Risikofaktoren und auch die Behandlungskomplexität zu wenig in der Diagnose Berücksichtigung fanden. Im Jahr 2017 wurde auf Initiative der European Federation of Periodontology (EFP) und der American Academy of Periodontology die neue, aktuell gültige Klassifikation der parodontalen und periimplantären Erkrankungen erarbeitet und verabschiedet. Die Originalartikel zur Klassifikation sind im Journal of Clinical Periodontology im Jahr 2018 open access veröffentlicht worden. Die EFP bietet zahlreiche Materialien zur Erklärung der Klassifikation an, die Konsensusberichte des Workshops und die Materialien der EFP wurden durch die DG PARO übersetzt und stehen online auf der Webseite zur Verfügung. In Übereinstimmung mit dem aktuellen Wissenstand zur Ätiologie und dem klinischen Krankheitsbild werden dort drei Formen von Parodontitis unterschieden: die chronische und aggressive Form wurden in der Kategorie (1) Parodontitis vereint, (2) nekrotisierende Parodontitis und (3) Parodontitis als direkte Manifestation von systemischen Erkrankungen. In Anlehnung and die bei bei WHO üblichen Klassifikationen (z. B. bei Krebserkrankungen) wird Parodontitis über das Stadium und den Grad weiter charakterisiert.

In der aktuellen Klassifikation werden vier Stadien der Parodontitis unterschieden. Zwischen Stadium I/II und Stadium III/IV gibt es deutliche Unterschiede in Hinblick darauf, wie die Betroffenen auf den oralen Biofilm reagieren und ihr Immunsystem die bakterielle Herausforderung bewältigt. Patienten mit einem Stadium I oder II haben eine beginnende oder moderate Erkrankung, keine Zähne durch Parodontitis verloren und werden auf die nicht-chirurgische Therapie, die auf die Reduktion des bakteriellen Biofilmes fokussiert, zumeist zuverlässig reagieren. Im Gegensatz dazu liegen bei einem Stadium III oder IV sehr wahrscheinlich endogene und/oder exogene Risikofaktoren vor, die die Immunantwort auf die bakterielle Infektion und damit die Fähigkeit den Gewebeschaden zu begrenzen negativ beeinflussen. Stadium III und IV Patienten sind komplexere Fälle, die spezifische Kenntnisse um die Erkrankung und eine umfassendere klinische Kompetenz erfordern, um sie erfolgreich behandeln zu können.

Mit dem Grad wird die Diagnose um eine weitere Dimension ergänzt. Dabei begründet sich das Grading durch die grundlegenden Beobachtungen, dass nicht alle Individuen gleich empfänglich für Parodontitis sind, Schweregrad und Verlauf der Erkrankung durch den Einfluss verschiedener Risikofaktoren individuell sehr unterschiedlich sein können und einige Fälle eine intensivere Betreuung benötigen, um die parodontale Situation stabilisieren zu können. Mit dem Inkrafttreten der neuen PAR-Richtlinie ergibt aus dem individuellen Grad ein Anspruch auf eine unterschiedliche Anzahl von UPT-Terminen

Unsere Antworten auf Ihre Fragen: Diagnose

Nein, nur die bereits durch Parodontitis verloren gegangenen Zähne werden berücksichtigt.

Nein, das Vorliegen von Risikofaktoren führt nur zu einem Upgrade. Das Fehlen von Risikofaktoren führt nicht zu einem Downgrade.

Nur, wenn ein Tabakkonsum von ≥ 10 Zigaretten pro Tag oder äquivalent vorliegt.

Für die weitere Differenzierung des Stadiums ist neben einem lokalisierten und generalisierten Ausmaß, das sich über die prozentuale Zahl der betroffenen Zähne definiert, die Option gegeben, das Ausmaß anhand eines Destruktionsmuster zu charakterisieren. Die Manifestation von Parodontitis an den ersten Molaren und/oder Frontzähnen war ein typisches Muster der ehemaligen lokalisierten aggressiven Parodonttis bei jungen Patienten aus der Klassifikation von 1999. Der Grund, warum diese Information in der neuen Klassifikation übernommen wurde ist, dass dieses Erkrankungsmuster indirekt auf eine spezifische Empfänglichkeit für Parodontitis und Entzündungsneigung hindeuten. In diesem Fall geht es hier also um Patienten, bei denen die Erkrankung in einer sehr frühen Lebensphase begonnen hat und dadurch die Zähne am stärksten betroffen sind, die als erste bleibende Zähne mit einer dysbiotischen Keimflora in Kontakt kamen. Das schließt nicht aus, dass auch andere Zähne parodontale Destruktionen aufweisen und setzt nicht voraus, dass alle Molaren/Frontzähne betroffen sein müssen. Die Klassifikation gibt dazu keine weitere Erläuterung. Es wird aber immer nur ein Ausmaß für das höchste Stadium angegeben.

Dabei sind Gingivawucherungen gemeint, die häufig durch die Einnahme von Medikamenten bedingt sind. In der Regel kommen diese Wucherungen zusammen mit einer Parodontitis, können in sehr wenigen Fällen aber auch ohne Attachmentverluste auftreten. Da die UPT-Frequenz über den Grad der Parodontitis bestimmt wird, muss in diesen seltenen Fällen eine individuelle Abklärung mit der zuständigen KZV erfolgen.

Staging & Grading

Die DG PARO hat eine Tabelle zum Staging & Grading von Parodontitis erstellt, die sie für die Praxen frei zur Verfügung stellt. Mitglieder erhalten die Tabelle regelmäßig in laminierter Form. 

Die Parodontitis wird nach Schweregrad (anhand des prozentualen Knochenabbaus oder alternativ des klinischen Attachmentverlustes und der Zahl von Zähnen, die aufgrund von Parodontitis verloren gegangen sind) und Komplexität (u.a. fortgeschrittene Furkationsbeteiligung, tiefe vertikale Knochendefekte, Notwendigkeit einer komplexen Rehabilitation des Falles) in vier Stadien unterteilt.

Das Ausmaß (lokalisiert [< 30 % der vorhandenen Zähne sind betroffen], generalisiert oder Molaren-Inzisivi-Muster) der Erkrankung wird nur für das schwerste Stadium angegeben. Das Stadium wird auch durch das Vorliegen von sogenannten Komplexitätsfaktoren beeinflusst.

Der Grad enthält Informationen zur Progressionsrate der Erkrankung und dem Vorliegen von patientenspezifischen Risikofaktoren (Nikotinkonsum und Diabetes/HbA1c). Die Progressionsrate kann direkt anhand von Vorbefunden abgeschätzt werden oder indirekt durch den sogenannten Knochenabbauindex (KA %/Alter). Dabei wird der Zahn auf dem Röntgenbild berücksichtigt, der den stärksten marginalen Knochenabbau hat. Das Vorliegen von Risikofaktoren kann zu einem Upgrade führen. Fehlen diese Risikofaktoren, führt das aber nicht zu einem Downgrade.

Prof. Dr. Henrik Dommisch (Berlin) hat ein Webinar im Rahmen unserer monatlichen Reihe “DG PARO kommt nach Hause” zur aktuellen Klassifikation gegeben. Mitglieder können auf das Webinar on demand im Videobereich der DG PARO-Webseite zugreifen.

Klassifikationshilfe

Wir möchten Sie der Diagnose und Umsetzung der neuen Klassifikation unterstützen. Dazu wurde eine Klassifikationshilfe programmiert, in der Sie dem neuen PAR-Antragsformulare folgend ihre Befunde aus der Anamnese, der klinischen und röntgenlogischen Untersuchung eingeben können. 

Die Ursache für Zahnverlust ist nicht immer eindeutig einzuschätzen .Grenzfälle sollten mit profundem klinischen Urteilsvermögen und möglichst pragmatisch abgewogen werden.

Jeder Parodontitisfall wird durch das höchste Stadium charakterisiert, für den dann auch das Ausmaß bestimmt wird. Dafür ist relevant wie viele Zähne aufgrund des Knochenabbaus/Attchmentverlustes und von Komplexitätsfaktoren diesem Stadium zugeordnet werden.

Die Klassifikationshilfe gibt es auch auf einer separaten Seite. Öffnen Sie folgenden Link und speichern Ihn sich beispielsweise als Lesezeichen ab. So haben Sie von Ihrem Computer einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf die Klassifikationshilfe.

Beispiele für unterschiedliche Stadien von Parodontitis

Stadium I

Stadium II

Stadium III

Stadium IV

Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO)